von Rina Schölzel
„Wenn man keine andere Ablenkung hat, kommt man in der Natur zur Ruhe.“
Eine Frau zieht in ein altes Cottage auf einer schottischen, rauen Insel. Dies ist ihre Geschichte. Gemeinsam mit ihrem Mann entflieht sie dem Trott Londons: „Tag für Tag zu schuften kann dazu führen, dass man sich alle möglichen Fragen stellt, die doch offen bleiben.“ Auf eine winzige Zeitungsannonce hin kaufen sie ein altes Cottage samt Grundstück auf einer Insel vor Oban. Die beiden wähnen sich am Anfang eines erfüllenden, anstrengenden Lebens. Mit viel Mut, Ehrgeiz und Toleranz gehen sie diesem Abenteuer entgegen und Tamsin verliebt sich augenblicklich in diese Insel, ihre Natur und Wildheit. Unzählige Naturbeschreibungen füllen das Buch, die mich fortgetragen und mitgerissen haben in ihre neue, alte Welt. Sie beginnen, Schafe zu züchten, Kühe zu halten, auch Maude, eine Collie-Hündin tritt in ihr Leben und wird Tamsin viele Jahre lang einer der wichtigsten Bezugspunkte sein: „Unsere Zuneigung zueinander ist so weit wie der Himmel. Wir werden einander niemals überdrüssig. Manches ist schwer mit Worten auszudrücken.“ Doch bald schon bricht sich das Unglück Bahn in Tamsins Leben und nimmt kein Ende. Die Insulaner meiden, verspotten, beleidigen und schneiden sie. Sie wollen sie vertreiben. Die Ehe mit Rab geht in die Brüche und Tamsins sehnlicher Kinderwunsch bleibt unerfüllt. Nach wenigen Jahren bleibt sie allein zurück im Cottage, mit zwei schwer verletzten Händen monatelang zur Untätigkeit und Hilflosigkeit verdammt. Da niemand auf der Insel sie kennen will, vereinsamt sie unerträglich. Eine Qual, die sie kaum aushält und zurückwirft auf ihr innerstes Selbst, auf grundlegende Erkenntnisse: „Am Ende ist es einfach. Jeder möchte gehalten werden und den eigenen Namen liebevoll ausgesprochen hören.“ Da sie keinen Lebensunterhalt verdienen kann, geht ihr das Geld aus und sie muss lernen, sich selbst aus der Natur zu versorgen: „Während ich lerne, was es heißt, zu überleben, statt nur zu leben, werde ich plötzlich stärker, meine Haut widerstandsfähiger, ein seltsames Gefühl. Das Sammeln der eigenen Nahrung lehrt einen nicht nur, was essbar ist und was nicht, sondern viel mehr. Dankbarkeit, Widerstandskraft.“ Unfassbar viele Jahre lang kämpft sie um alles, was ihr bleibt: Ihren Seelenfrieden. Dass sie die Insel nicht verlässt, hat mich manchmal schier zur Verzweiflung gebracht. Doch Tamsin liebt dieses Land, die Freiheit, die Elemente. „Es braucht Zeit, um unsere Sicht auf die Welt kaum merklich zu brechen, neu zu ordnen und wieder zusammenzufügen.“ Sie lernt, sich auf ihre Art in der abweisenden Inselgemeinschaft zu behaupten. Sie lebt ein Leben im Einklang mit der Natur. Ihr Weg, ihre Kraft, ihr Durchhalten und ihre tiefe Liebe zur Natur haben mich so beeindruckt, dass ich am Ende sehr bewegt war. Und immer noch bin. 15 Jahre lang begleitet man sie auf ihrem sehr steinigen Weg. Am Ende steht eine bescheidene, hingebungsvolle Frau, die mich ehrfürchtig macht. „Das Leben ist niemals leicht. Doch wenn ich eines weiß, dann dieses hier: Jedes Mal, wenn man hinfällt, steht man wieder auf. Jedes einzelne Mal.“